Sie haben es bestimmt gelesen – es stand im Spiegel, in der Zeit, bei Kress und wuv.de: Die Werbeagentur Wegmeister entdeckte, dass eine glücklich radelnde Familie sowohl für die NPD, als auch für die FDP wirbt – nebenbei auch für finnischen Quark und sicher noch für ein paar andere ebenso sinnstiftende Dinge...
Diese Familie war auch nicht das einzige Stock-Material in den Spots – der Spot der FDP scheint bis auf das Erscheinen von Herrn Brüderle komplett aus Stockmaterial gebaut zu sein. Für uns Anlass genug, uns einmal die Lizenzbedingungen vorzuknöpfen.
Wo kommen die Radler eigentlich her? Dieser Clip stammt von SimonKr, der ihn bei istockphoto einstellte – allerdings ist dieser Clip mittlerweile auch über gettyimages.com als lizenzfreier Clip zu haben. Spannend dabei: istockphoto - wie viele andere Microstock-Anbieter auch - verbieten in ihren Lizenzbedingungen den Einsatz von Models für politische Werbung; getty images hingegen nicht. Wer den entsprechenden Passus bei istockphoto genau liest, muss sich allerdings so richtig gruseln: Hier wird prinzipiell verboten, Models als Testimonials einzusetzen:
„4. Beschränkungen [...]:
Abs. 7: Nutzung oder Darstellung jeglichen Inhalts, der ein Modell oder eine Person enthält, wenn (a) diese Nutzung oder Darstellung in einer Art und Weise erfolgt, die bei einer vernünftigen Person die Annahme hervorrufen kann, dass die Person ein Geschäft, ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Sache, eine Vereinigung oder einen sonstigen Zweck nutzt oder unterstützt...“.
Das ist harter Tobak und auf Nachfrage konnte oder wollte uns istockphoto bei einem ganz ähnlichen Kunden, einer Gewerkschaft, keine Genehmigung zum Einsatz eines Models als Testimonial erteilen. Jetzt könnte man die Frage diskutieren, ob diese Familie überhaupt als Testimonial eingesetzt wird oder ob sie einfach nur als illustratives Element dastehen, als typisch deutsche Familie, die ja keiner der beiden Parteien anhängen muss. OK. Aber aus der Perspektive der Familie: Möchte sie – möchten SIE in einem Wahlspot der NPD auftauchen?
Und wenn Sie Models aus dem Microstock als Testimonials für Ihre Marken einsetzen, stehen Sie dann auch bereits mit einem Bein im Knast? Laut dieses Passus‘ in der istockphoto-Lizenz ja – aber der Alltag zeigt ja, dass dieses Gericht nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. Eine mögliche Deutung: Amerikanische Unternehmen wie istockphoto müssen sich in ihren Standard-Lizenzen gegen alles Mögliche absichern, um dann im Ernstfall darauf verweisen zu können. Reagieren werden sie aber nur, wenn es wirklich brennt – wie im Fall der rechten Schweizer Partei SVP, die vor Jahren einen grimmig blickenden, südländisch wirkenden Macho mit dem Spruch: „Heute Vergewaltiger, morgen Schweizer?“ zeigte. Hier greift dann aber eher auch der Passus 4.6 der istockphoto-Lizenz, der Diffamierungen der Models untersagt. Dieses Motiv wurde tatsächlich dann von istockphoto gekippt!
Soweit istockphoto. Nun wissen wir, dass zumindest die FDP diesen FilmClip bei getty images lizensierte. Hier der entsprechende Lizenztext:
„3. Beschränkungen. [...]
5 Bei Verwendung von Lizenzmaterial, auf dem ein Fotomodel oder Objekt in Verbindung mit einem Thema erscheint, das auf den gewöhnlichen Betrachter verletzend oder unangemessen kontrovers wirkt, muss der Lizenznehmer bei jeder derartigen Verwendung eine Erklärung hinzufügen, aus welcher hervorgeht, (i) dass das Lizenzmaterial lediglich zu Illustrationszwecken eingesetzt wird und (ii) es sich bei der ggf. abgebildeten Person um ein Fotomodell handelt....“.
OK. Demnach müsste im Wahlspot eingeblendet werden: „Wir sind nur Fotomodelle, keine FDP-Wähler“? Nunja, getty images erlaubt grundsätzlich Wahlwerbung, verweist allerdings auch bei jedem Kauf darauf, dass Bilder und Filme vor Allem für Wahlwerbung besser exklusiv eingekauft werden sollten – so hätte man genau diese Situation, in der die FDP jetzt steckt, vermeiden können. Exklusivität ist aber teuer – eigene Shootings wären da sicher eine ehrlichere und günstigere Variante, aber Zeit und Budget stehen dem eigenen Shooting ja doch regelmäßig im Weg...
Dass aber der nicht exklusive Einsatz von Testimonials in der (Wahl-) Werbung richtig schief gehen kann, zeigt eine ältere Geschichte aus Irland: Hier warb die eine Partei mit dem Portait einer Frau: „On sunday, I will vote for xy“ – woraufhin die gegnerische Partei das gleiche Model nahm: „... I changed my mind...“.
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